Greenwashing

Christoph Harrach hat auf Karmakonsum einen Karneval zu einem interessanten, brenzligen und aktuellen Thema ausgerufen: Greenwashing! Was darf man davon halten, wenn sich die “ehemaligen?” Nutznieser von Umweltverschmutzung und Lohndumping in den Entwicklungsländern plötzlich Umweltschutz und Fair Trade auf die Fahnen schreiben, um das gestiegene Interesse der Konsumenten an den Produktionsbedingungen der globalen Wirtschaft in bare Münze umzuwandeln? Wann ist das Engagement echt, wann ist es nur Greenwashing?


Einige von Euch wissen ja bereits, dass ich selbst mittlerweile auch zum Kreis der Anbieter von ökofairer Kleidung gehöre, weshalb es für mich ja schon fast Pflicht ist, etwas zu diesem wichtigen Thema zu sagen. Gelegentlich kommt aus meinem Bekanntenkreis sogar hier und da einmal die Feststellung, dass wir mit unserem Geschäftsmodell Firmen direkt zum Greenwashing verleiten. Und so ganz ist es nicht einmal von der Hand zu weisen. Ich pflege dann immer zu betonen, dass uns die Motivation unserer Geschäftspartner diesbezüglich relativ egal ist, solange sie durch ihre Eigenwerbung dazu beitragen, das Vorhandensein ökofairer Kleidung beim Kunden bekannt zu machen.

Ganz so einfach, wie es dieser lapidare Satz zusammenfasst, ist es jedoch nicht, beinhaltet er doch zwei wichtige Variablen, die zueinander in einem reziproken Verhältnis stehen: Motivation der Unternehmen und Konsumentenbewusstsein, bzw. -vertrauen. Und dieses gegenseitige Bedingungs- und Abhängigkeitsverhältnis wird vorwiegend gesteuert von Institutionen (also Regeln, Normen und Verfahren), deren Transparenz und der daraus entstehenden Benennbarkeit des Akteurshandelns, also der Möglichkeit, die Guten von den Schlechten zu unterscheiden. Wenn man also die beiden Pole vergleichen müsste, könnte man mit Fug und Recht behaupten, dass wenige strenge Regeln, deren Durchsetzung von wenigen, transparenten und unabhängigen Organisationen überwacht wird, einem unübersichtlichen Markt an milden Normen und einer Unzahl an intransparenten Kontrollagenturen , bzw. -mechanismen vorzuziehen wäre. Denn dann hätte man eine unmittelbare Erfolgskontrolle sowohl über den tatsächlichen (Verbesserung der ökologischen und sozialen Produktionsbedingungen in den Billiglohnländern), als auch den wahrgenommenen (Gefühl des Konsumenten zur Verbesserung beizutragen) Effekt des bewussten Konsums. In solch einem institutionellen Rahmen wäre bewusster Konsum demnach auch unmittelbar effizient.

In der Realität treffen wir jedoch viel häufiger den zweiten Fall an und das macht Greenwashing zu einem ernstzunehmendem Problem für die Ökobranche. Öko ist Trend und je mehr – ehemals nur an den Produktionskosten interessierte – Global Player sich plötzlich auf der Spielwiese des ökofairen Handels tummeln, den Markt mit betriebsinternem Ökomanagement, betriebsinternen Zertifikaten und neuen, ökologisch wohlklingenden Markenschöpfungen überschwemmen und sich zu, nach NGOs und Verbraucherinitiativen klingenden, Interessenslobbies zusammenschließen, desto unübersichtlicher und unkontrollierbarer wird der Biomarkt für den Verbraucher. Ein einziges schwarzes Schaf kann dann genügen, um die gesamte Ökobranche bis ins Mark zu erschüttern und das neugewonnene Verbrauchervertrauen wieder zu vernichten. “Jacke wie Hose” wären wir dann alle, Einer genauso schlimm, wie der Andere. Jedenfalls in den Augen des Verbrauchers.

Gut, man kann natürlich jetzt argumentieren, dass der wirklich bewusste Konsument diesen Umstand sehr wohl sieht und sich dann eben genau den Anbietern zuwendet, deren Öko- und Sozialmanagement transparent von außen kontrolliert wird. Angst vor dem Verlust der Kundschaft muss daher bei den klassischen oder meinetwegen auch “echten” Ökoanbietern daher nicht bestehen. Sieht man es jedoch vom Ziel des ökofairen Handels her, also der Verbesserung ökologischer und sozialer Produktionsbedingungen, erscheinen die Folgen eines solchen Skandals verheerend und zeigen die zerbrechliche Volatilität des Verhältnisses zwischen Unternehmensmotivation und Kundenvertrauen auf. Ist das Kundenvertrauen nämlich erst einmal weg und der Kunde indifferent zwischen Öko- und konventionellen Produkten, ist auch das Interesse der Global Player am ökofairen Handel wieder ganz schnell verschwunden und Essig war’s mit der fortschreitenden Verbesserung der Lebensbedingungen der Kaffee- oder Baumwollbauern.

Meist braucht es nicht einmal diesen einen fetten Skandal, denn oft ist das Greenwashing mancher Unternehmen so durchsichtig, so fixiert auf einen einzigen überhöhten Aspekt eigener Umweltfreundlichkeit, dass schon das Bewerben dieses einen Aspekts durch seinen Zynismus dem Verbraucher so dermaßen auf die Nerven geht, dass Zweifel an der Motivation der gesamten Branche entstehen. Ein gutes Beispiel ist hier die desaströs kontraproduktive Citroen-Werbung in der alle anderen Autos als Schweine dargestellt werden. Man fragt sich intuitiv: ah, ihr jetzt also auch? Was hat Citroen nochmal für die Umwelt getan? Ha, ha, wer wird wohl der nächste sein?

Die andere Seite der Medaille
Im Umkehrschluss heisst das dann aber auch, dass der ökofaire Handel, wenn er sein Ziel wirklich erreichen und nicht nur zynisch das Geld von ein paar Idealisten und Weltverbesserern abschöpfen will, nichts anderes so sehr braucht, wie das Engagement der etablierten Unternehmen. Wenn sich an der Ungerechtigkeit und der ökologischen Verantwortungslosigkeit in den Billiglohnländern wirklich etwas ändern soll, dann sind es die etablierten Unternehmen, die sich umstellen und auf die veränderte Nachfrage reagieren müssen. Nur sie haben die finanzielle und logistische Gestaltungskraft und das Humankapital, um das System wirklich grundlegend umzukrempeln. Wir können ihnen allerhöchstens die Anreize dazu liefern. Greenwashing ist dann eher als Weg, als Testphase für Veränderungen zu sehen.

Der wichtige Punkt bei der Beurteilung von Greenwashing ist also nicht die Motivation der Unternehmen, die kann hier getrost egal sein. Sondern es ist die Frage, wie sie nachhaltig auf diesem Weg zu mehr Verantwortung gehalten werden können und das funktioniert ganz bestimmt nicht allein durch Nachfrage und Konsum – hier liegt der Schwachpunkt der konsumeuphorischen LOHAS-Bewegung, die manchmal ein wenig den Anschein erweckt, als wolle sie sich ganz bewusst von der alten Garde an Aktivisten, NGOs und Kritikern differenziert sehen, deren Ansatz anachronistisch, antiquiert und ganz verstaubt, dem Zeitgeist nicht mehr angemessen scheint. Ganz sicherlich stimmen viele dieser Punkte: es ist ein “Lifestyle”, der das “Machen” vor das “Jammern” setzt, das “Belohnen” vor das “Strafen”, den “Optimismus” vor den “Pessimismus”…

Dass er jedoch ein irgendwie antiquiertes nicht-kommerzielles Engagement “er”setzt, halte ich persönlich für eine bedenkliche Schlussfolgerung, denn um die etablierten Unternehmen auf einem nachhaltigen Kurs zu halten, muss zuallererst daran gearbeitet werden, die Nachfrage nach ökologischen und fairen Produkten nachhaltig zu erweitern und das geht auf der Kundenseite nur über Aufklärung, Aufklärung und noch einmal Aufklärung, auf der Anbieterseite nur über Glaubwürdigkeit und Vertrauen, sprich transparente, verbindliche Regeln und transparente, unabhängige Kontrolle. Man spürt schon, wie schmerzhaft die Katze sich hier in den eigenen Schwanz beisst, denn die Arbeit an solchen Standards leisten die Unternehmen aus Eigeninteresse nur in den seltensten Fällen und der Kunde durch reinen Konsum schon gleich dreimal nicht.

Man kann es auch anders sagen: ganz unabhängig von der Motivation, um hier wirklich etwas zu reißen und um zu mehr sozialer Gerechtigkeit, mehr ökologischer Verantwortung und mehr überprüfbarer Glaubwürdigkeit zu kommen, brauchen die Unternehmen die NGOs und eine engagierte Zivilgesellschaft wie die Luft zum Atmen. In Abwesenheit staatlicher Einflussnahme sind sie es, die auf transnationaler Ebene Regeln und Verbindlichkeiten festzurren und die Unternehmen an die Kandare nehmen. In der Regel greifen die Standards, die durch die Mitarbeit der NGOs entstanden sind, sei es nun der Global Organic Textile Standard (GOTS) oder der Sozialkatalog und die Zertifizierungsansprüche der FairTrade Labeling Organisation (FLO), Beispiele gibt es ja mittlerweile viele, wesentlich effektiver als die Minimalstandards unternehmerischer Interessensgruppen oder gar reine CSR-Augenwischerei. Das Problem ist eben nur: wie bringt man die Unternehmen dazu, sich diese Standards aufzuerlegen anstatt selbst einen Standard zu “erfinden”? Und schon wieder spielt die Katze mit dem Schwanz, denn schon wieder heisst es Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung…

Es nützt nichts, wenn die Clean Clothes Campaign Monat für Monat Studie um Studie veröffentlicht, wenn der LOHAS sie hütet wie Geheimwissen, nur weil er als “modern und trendy” und nicht als Aktivist angesehen werden will. Das Wissen muss raus, damit der Konsument unterscheiden lernt zwischen dem Echten und dem Vorgegaukelten und dann seinem Wunsch nach Überprüfbarkeit und Entscheidungssicherheit Ausdruck verleiht. Erst, wenn die Unternehmen merken, dass sie den Konsumenten nicht mehr mit dem Bau einer Schule oder der Investition in ein vereinzeltes Wasseraufbereitungsprojekt über soziale und ökologische Mißstände in der Produktion hinwegtäuschen können, werden sie einen Anreiz sehen, sich auch auf die harten Standards einzulassen.

Wenn man jetzt die Eingangsfrage beantworten, will, was denn nun von diesem neuen Engagement zu halten ist, ist die Antwort ernüchternd: Alles und Nichts! “Alles”, wenn man unkritisch und pragmatisch das Ziel (nicht den Zweck) die Mittel heiligen lässt und die Macht des Verbrauchers überschätzt, “Nichts”, wenn man stur und unbeweglich darauf beharrt, dass nur das Neue das Alte hinreichend ersetzen kann und den etablierten Unternehmen ein voreingenommenes Misstrauen entgegenbringt.

Man sollte sich in der Mitte treffen: Greenwashing ist absolut notwendig, wenn der nachhaltige Konsum wirklich etwas bewirken soll. Und damit dabei nichts schief läuft, sollte man sich einmischen. Ebenso absolut notwendig!

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