Gedanken aus Indien

Vor Kurzem war unsere Mitarbeiterin Natalie wieder einmal in Indien unterwegs, um sich die Produktion vor Ort anzuschauen. Wie sie die Zeit dort erlebt hat und welche Gedanken ihr dabei gekommen sind, schildert sie in ihrem Reisebericht:

Zu meiner Reise nach Indien bin ich mit sehr gemischten Gefühlen aufgebrochen. Zum einen habe ich mich darauf gefreut in die Produktion zu kommen und einige schwierige Muster vor Ort zu besprechen. Zum anderen hatte ich Angst, dass nicht alles so klappen würde wie ich mir das vorstelle und ich dann alleine in Kalkutta am Flughafen stehe. Schlimmsten Falles ohne Telefon, da ich mir nicht sicher war ob mein deutsches Handy in Indien funktionieren würde.

Natürlich sind schon am Flughafen alle Dinge schief gelaufen, vor denen ich Angst hatte. Nicht nur, dass der Flug über zwei Stunden Verspätung hatte, sondern es dauerte auch noch zusätzlich gefühlte zwei Stunden bis ich endlich durch die Passkontrolle gekommen bin und meinen Koffer hatte. Erleichterung machte sich bei mir erst breit als jemand ein Schild mit meinem Namen hochhielt.
Dann im Auto die nächste Überraschung: Ich würde nicht in unserer “Firmen”-Wohnung schlafen, sondern im Hotel. Man brachte mir diese Nachricht mit den Worten bei: „But do not worry, no problem“. Einen Satz den ich hier sehr oft gehört habe.

In den Autofahrten durch die Straßen Kalkuttas wurde mir eines klar: Kalkutta ist eine merkwürdige Stadt. Nicht nur der extreme Gegensatz zwischen arm und reich, auch schon der Gegensatz zwischen den leuchtenden Saris der Frauen, die man hier in allen Farben und aus wunderschönen Stoffen sieht, und dem vielen Dreck auf den Straßen, ist immer wieder faszinierend und erschreckend zugleich.
Indien ist einfach so anders als Deutschland, hier erfährt man nie genau wann man abgeholt wird. Irgendwann kommt schon jemand der einen einsammelt. Für mich war es irgendwie eine gute Erfahrung, nicht alles kontrollieren zu können, sondern einfach darauf vertrauen zu müssen, dass alles irgendwie klappt. Selbst wenn man in ein Taxi steigt und der Taxifahrer hat weder Ahnung vom Weg zum Hotel noch spricht er Englisch, kommt man irgendwie letztendlich doch an sein Ziel. Wenn auch nicht auf direktem Wege und auch erst nachdem der Taxifahrer mindestens fünf Passanten gefragt hat.

Schockierend ist natürlich die Armut, die man hier ständig sieht. Da gibt es ganze Familien die in der Innenstadt unter Brücken leben. Wenn man im Stau steht (was ständig passiert) kommen Kinder zum Auto und wollen ein paar Münzen. Es ist schwer zu verstehen, dass es einerseits so viel Reichtum gibt und es andererseits Menschen gibt, die, mit dem was sie verdienen, kein würdiges Leben führen können. Ich bin sehr froh, dass ich nicht für eine Firma arbeite, die diese Menschen ausbeutet. Ich bin froh, dass durch unsere Produktion hier einige Menschen soviel verdienen, dass sie ihre ganze Familie damit ernähren können und ihren Kindern sogar eine Schulbildung ermöglicht wird.

Irgendwie wirkt die Fabrik, die hier für uns produziert, wie aus einer anderen Welt, wenn man sie mit der Umgebung vergleicht. Draußen vor dem Fabriktor ist es dreckig, es gibt nicht mal richtige Straßen, und dann kommt man hier rein und sieht schön angelegte Grünflächen und saubere weiß gestrichene Gebäude.

Den Satz „don´t worry I´will show you“ hab ich hier auch sehr oft gehört und dass darauf ohne noch einige Male nach zu fragen nichts kommt, habe ich nach einiger Zeit auch begriffen. Auch habe ich gelernt, dass 10 Minuten in Indien durchaus mal mehrere Stunden dauern können. Grundsätzlich hört man hier immer „no problem, I will bring you in 10 minutes“ und dann passiert erst mal eine Zeit lang gar nichts.

Aber trotz häufiger Stromausfälle sind dann doch noch fast alle Muster fertig geworden. Irgendwie ist also schon was Wahres dran, wenn einem geraten wird „don´t worry“, denn letztendlich bekommt man doch alles was man haben möchte, auch wenn man zwischenzeitlich nicht mehr daran glaubt.

Was ich noch positiv erwähnen möchte ist, dass hier wirklich Alle zu mir als Europäerin sehr freundlich waren. Das hat mich wirklich sehr beeindruckt. Sei es im Hotel, beim Geldautomaten oder beim Einkaufen auf dem Markt. Hier wird einem überall geholfen und alles erklärt. Vielleicht sollten wir uns mal überlegen das umgekehrt in Deutschland auch so zu machen, wenn wir einen Ausländer irgendwo hilflos rumstehen sehen.

Schöne Grüße aus Indien,
euere Natalie

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